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Buchtipps - Romane

Eine Kindheit in Herdecke, in einer Großfamilie mit tollen Charakteren: das pralle Leben im Ruhrpott, virtuos erzählt von Jörg Hartmann. Seine ersten Vorsprechen an der Schauspielschule, die Handballleidenschaft des Vaters, dessen spätere Demenz, die gehörlosen Großeltern und ganz viel Heimat verwebt der Schaupieler ("Faber" aus dem Dortmunder Tatort!) zu einem geschichtenprallen Gesamtkunstwerk.

Ein Albtraum sorgt dafür, dass sich die Leben von Katrin und Hans trennen: Bei der Geburt in einer Leipziger Klinik stirbt der gemeinsame Sohn, so wird es ihnen von den Ärzten gesagt. Katrin glaubt ihr Leben lang daran, dass ihr Kind lebt. Jahre nach ihrem Tod passiert das Unfassbare: Hans bekommt einen Anruf - von seinem Sohn. Die holprige Annäherung der beiden Männer und ihre Reflektion auf das Leben ohneeinander erzählt dieses Buch einfühlsam und geradlinig. Eine echte Leseempfehlung - mit leider wahren Hintergründen.

Vier unterschiedliche Menschen nehmen an einer Medikamentenstudie gegen Herzmuskelschwäche teil. Als Nebenwirkung stellt sich heraus: Die Probanden werden immer jünger, eine alternde Olympiasiegerin schwimmt plötzlich Rekordzeiten, eine Frau in eher aussichtsloser Kinderwunschbehandlung wird schwanger. Das macht etwas mit den Menschen, aber auch mit der Gesellschaft. Ein spannendes Gedankenexperiment, mitreißend erzählt.

Maria ist - wegen eines Notfalls - aus der Stadt zurück auf dem Hof der Eltern. Während die Familie auf Nachricht vom verunglückten Vater wartet, ruft die alte Mühle mit Hopfenanbau und Schweinezucht überall Erinnerungen an die Kindheit in der Landwirtschaft wach. Präzise und einfühlsam erzählt Bogdahn vom Großwerden zwischen Schweinestall und Kinderzimmer und den stillen Konflikten einer Familie.

Die junge Johanna van Gogh-Borger erbt Ende des 19. Jahrhunderts den Nachlass ihres damals noch unbekannten Schwagers Vincent. Sie wird sein bedeutendes Lebenswerk weltberühmt machen. Mehr als hundert Jahre später begeistert sich Gina als Studentin der Kunstgeschichte für dieses Thema und schreibt darüber ein Buch. Die leidenschaftlichen Leben der beiden interesssanten Frauen verbindet sich auf besondere Weise in diesem großartigen Roman.

Die junge Studentin Ellen aus Berlin bekommt einen Forschungsauftrag in Togo. In der ehemaligen deutschen Kolonie trifft sie auf verschiedene Arten von Rassismus in Geschichte und Gegenwart. Und auch in der eigenen Familie und bei sich selbst gibt es persönliche Erfahrungen zum Kolonialismus zu ergründen. Ein kritisches, literarisches und sensibles Buch einer talentierten Kulturwissenschaftlerin.

Zwölf bewegende Storys aus dem afroamerikanischen Milieu zur Zeit der Bürgerrechtsbewegung sind in dieser Anthologie einer damals jungen Schwarzen Literaturstudentin gesammelt. Es handelt sich um ganz private Geschichten, in denen unterschiedliche Menschen in ihrem Alltag mit viefältigen Formen von Rassismus konfrontiert werden und deren politische Bedeutung bis in die Gegenwart reicht. Aus dem Amerikanischen übersetzt von Brigitte Jakobeit und Volker Oldenburg und mit einem Nachwort versehen von Zayari Jones.

Was für ein Buch - die Charaktere sind alle unsympathisch, eigentlich spielt die rassistische, menschenfeindliche Buchbranche der USA die Hauptrolle. June, weiße Autorin, stiehlt ihrer viel erfolgreicheren amerikanisch-chinesischen Kollegin und Freundin nach deren Tod ein fast fertiges Manuskript und wird Bestsellerautorin. Sie gibt sich einen asiatisch klingenden Künstlerinnennamen, verteidigt das ganze Buch hindurch ihr Handeln und sieht ihre eigenen Rassismen nicht. Großartig!

Es ist das Jahr 2021: Venedig wurde von einem gigantischen Hochwasser erfasst und existiert nicht mehr. Diese große Katastrophe hat sich seit Langem abgezeichnet und auch in der Familie Malegatti manifestiert: Vater Guido ist Mitglied des Wirtschaftsrates und vertritt die kapitalistische Postition, sein Frau Maria Alba möchet einfach nur die Schönheit ihrer Heimatstadt erhalten und die Tochter Léa ist die kämpferische Klimaaktivistin. Ein aktueller und spannender Roman aus dem Französischen übersetzt von Kirsten Gleinig.

Estela ist Hausmädchen bei einer reichen chilenischen Familie, nun ist die einzige Tochter tot. Estala wird vernommen und erzählt ihr Leben zwischen Küche und Bügelbrett als einziger Bezugsperson der einsamen Tochter, der sie doch nie wirklich nah sein kann. Sehr eindringlich berichtet die Autorin von unmenschlichen Verhältnissen hinter einer bürgerlichen Fassade.