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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783868276008
Sprache: Deutsch
Umfang: 352 S.
Format (T/L/B): 2.4 x 18.6 x 12.5 cm
Einband: kartoniertes Buch

Beschreibung

Colorado, 1877. Kenny sucht mit ihrem Bruder die Abgeschiedenheit bei ihrer Cousine, um ein neues Leben aufzubauen - fern vom wachsamen Auge des Gesetzes, mit dem Robert schon öfter in Konflikt geraten ist. Doch Kenny kommt vom Regen in die Traufe: Ihre Cousine stirbt und hinterlässt ihr nicht nur eine verschuldete Ranch, sondern auch ihre Tochter Emma. Und Robert gerät wieder in Schwierigkeiten. Als der attraktive Marshal auf der Bildfläche erscheint und helfen will, stößt Kenny ihn zurück.

Autorenportrait

Tamera Alexander ist für ihre historischen Romane schon mehrfach mit dem Christy Award ausgezeichnet worden, dem bedeutendsten christlichen Buchpreis in den USA. Sie lebt mit ihrem Mann und zwei erwachsenen Kindern in Nashville.

Leseprobe

1 Copper Creek, Colorado, Rocky Mountains Dienstag, 5. Juni 1877 McKenna Ashford kletterte in der festen Überzeugung, dass es die richtige Entscheidung gewesen war, in den Westen zu kommen, von der Kutsche. Das Verhalten ihres Bruders zu Hause in Missouri hatte ihr keine andere Wahl gelassen. Sie betrachtete die nicht gerade idyllische Bergstadt Copper Creek und stellte fest, dass sie rauer war, als sie sich die Stadt nach den Beschreibungen in den Briefen ihrer Cousine vorgestellt hatte. Die Stadt sah mit ihren Schindelgebäuden, von denen sich einige leicht zur Seite neigten und altersschwach wirkten, eher rustikal aus. Viele Fenster wiesen Sprünge auf und erinnerten McKenna an blutunterlaufene Augen, die die ahnungslosen Passanten anstarrten. Aber die Berge McKenna legte den Kopf in den Nacken und ließ ihren Blick über die zerklüfteten Berge wandern, die über Copper Creek Wache standen. Ihr Blick blieb an den schneebedeckten Gipfeln hängen, die sie gleichzeitig mit Ehrfurcht erfüllten und demütig machten. Janie hatte recht: Ein Mensch, der diese Berge sah, wurde unwillkürlich verändert. Das ist es also? Dafür haben wir unser Zuhause aufgegeben? McKenna schaute zu Robert hinauf, der immer noch auf dem Kutschbock saß, und sah die Verachtung in der finsteren Miene ihres Bruders. Robert war erst vierzehn, neun Jahre jünger als sie, aber er war um einen guten Kopf größer und besaß Muskeln, auf die die meisten Männer stolz gewesen wären. Robert, ich bitte dich doch nur, dass du mit dem Wagen zu Vince und Janie weiterfährst, damit sie wissen, dass wir angekommen sind. Sie war erschöpft und hatte Hunger, aber sie bemühte sich trotzdem, ihre Frustration nicht zu zeigen. Es gelang ihr nicht. Wieder einmal. Ihr Haus befindet sich nur einen knappen Kilometer außerhalb der Stadt. Sie deutete auf den Umschlag, der neben ihm auf dem Kutschbock lag. Sie kannte den Inhalt des Briefes inzwischen auswendig. Die Wegbeschreibung steht in dem Brief. Ich leihe mir im Mietstall ein Pferd und komme bald nach. Robert rührte sich nicht von der Stelle. Ich sehe nicht ein, warum ich nicht mit dir zum Mietstall kommen kann. Er warf einen flüchtigen Blick auf den Brief. Ich habe diese Leute doch noch nie gesehen. Aber ja, du hast sie schon gesehen. Ich habe dir doch erzählt, dass sie dich kannten, als Sie brach ab, da sein eigensinnig vorgeschobenes Kinn ihr verriet, dass es keinen Sinn hatte, weiterzusprechen. Du kannst dich an Vince und Janie nicht erinnern, weil du damals noch zu jung gewesen bist. Aber sie werden sich an dich erinnern. Auch wenn sie dich ganz bestimmt nicht wiedererkennen, wenn sie dich sehen! Mühsam zwang sie sich zu einem Lächeln. Sag ihnen einfach, wer du bist. Sie erwarten uns. Ich sehe immer noch nicht ein, warum ich nicht Robert! Sie atmete hörbar aus. Bitte mach einfach, was ich sage. Ich kläre mit dem Mietstallbesitzer die Details und komme dann sofort nach. Er kniff die Augen zusammen. Mit mehr Kraft, als nötig gewesen wäre, löste er die Bremse der Kutsche. Wahrscheinlich hast du recht. Es ist besser, wenn du ohne mich hingehst. Schließlich wissen wir beide, dass er nicht mich, sondern dich eingestellt hat. Auch wenn er das vielleicht noch nicht weiß! Er ließ die Peitsche kräftig knallen. Der Wagen fuhr holpernd an. McKenna sprang schnell zurück, da das Wagenrad ihren Stiefel nur knapp verfehlte. Sie war mit ihrer Geduld am Ende. Wie konnte sie diesen Jungen so sehr lieben und trotzdem manchmal den Wunsch haben, ihn zu erwürgen? Als sie sah, mit welchem natürlichen Geschick Robert mit der schweren Kutsche umging, regte sich in ihr ein Anflug von Neid. Sie hatten die Pferde und den Wagen in Denver gekauft, aber sie war sich nicht sicher gewesen, wie er auf den steilen Bergpässen zurechtkäme. Aber es gab keinen Wagen, den Robert nicht lenken - oder bauen - konnte. Das Werkzeug und Material, das sie von zu Hause mitgebracht hatten, drückten das Wagenbett tief nach unten. Sie hatte sich von dem Werkzeug ihres Vaters nicht trennen können, auch wenn sie nach seinem plötzlichen Tod fast mittellos dastanden. Auf der Hauptstraße stauten sich die Pferdewagen, doch Robert bahnte sich problemlos einen Weg. Die langen Stunden, die sie auf der zweiwöchigen Fahrt von Missouri nach Colorado mit ihm allein verbracht hatte, waren ihr durch sein wiederholtes missmutiges Seufzen viel länger vorgekommen. Er hatte sie damit ständig daran erinnert, dass ihm dieser Umzug nicht gefiel. Als könnte sie das vergessen! Sie hielt den Atem an, als er zwei schwer beladene Wagen viel zu knapp überholte. Er machte das zweifellos absichtlich. Das sah sie daran, wie er vor den Fahrern frech den Hut zog. Die Fahrer warfen ihm einen finsteren Blick zu. Beide waren so kräftig gebaut, dass sie Robert trotz seiner Größe und Muskeln mühelos in seine Schranken verweisen könnten. Sie kniff die Augen zusammen. Einerseits betete sie, dass Robert diese Männer nicht noch mehr provozieren würde, andererseits fragte sie sich, ob ihm eine gehörige Tracht Prügel nicht vielleicht ganz guttun könnte. Sie hatte ihn nie geschlagen. Die Mutterrolle, die Gott ihr in einem so jungen Alter aufgebürdet hatte, überforderte sie oft. Bitte lass ihn hier nicht das machen, was er zu Hause gemacht hat. Dieser Umzug war für sie beide eine Chance zu einem Neuanfang. Sie konnte es sich nicht leisten, dass dieser Versuch, sich ein neues Leben aufzubauen, fehlschlug. Sie dehnte die verspannten Muskeln in ihren Schultern und in ihrem Nacken, müde von der Strecke, die sie heute von Denver nach Copper Creek zurückgelegt hatten. Ein überraschend kühler Wind zog von den schneebedeckten Bergen herab und machte die Nachmittagshitze erträglicher. Sie atmete tief ein und fühlte ein Prickeln in ihrem Brustkorb. Die Luft roch, als hätte Gott sie heute Morgen frisch aus dem Himmel hierhergeweht. Das war ganz sicher ein gutes Zeichen. Seit sie in Denver aus dem Zug gestiegen war, hatte sie das Gefühl, nach Hause zu kommen, obwohl sie diese Gegend noch nie zuvor gesehen hatte. Normalerweise war sie keine Romantikerin, doch sie fragte sich, ob dieser Umzug nach Copper Creek trotz allem Gottes Plan für sie war. Vielleicht lag hier das Erbe, das er für sie vorgesehen hatte? Das Erbe, das ihr Vater ihnen nicht hatte geben können. Sie hob leicht ihren Rock und schritt auf den hölzernen Bürgersteig zu. Dabei bemühte sie sich, den zahlreichen Hinterlassenschaften der Tiere, die über die Straße gezogen waren, auszuweichen. Die Leute, die auf den Holzplanken unterwegs waren, und die Menschen, die sich um den Eingang zum Gemischtwarenladen drängten, grüßten sie mit einem Kopfnicken. Einige lächelten sie sogar freundlich an. Vielleicht konnten sie und Robert sich hier tatsächlich ein neues Leben aufbauen. Vielleicht konnte Copper Creek ihr Zuhause werden. Niemand hier wusste etwas über ihre Vergangenheit. Mit neu aufkeimender Hoffnung betrat sie den Gemischtwarenladen. Sie hatte für Janies fünfjährige Tochter, Emma, eine Kleinigkeit kaufen wollen, war bis jetzt aber nicht dazu gekommen. Es sollte nur ein einfaches Geschenk sein. Sie wollte der Kleinen damit zeigen, wie dankbar sie ihr war, dass Emma ihr Zimmer mit ihr teilte, bis sie eine andere Wohnmöglichkeit für sich und Robert gefunden hätte. Sie dachte an Emmas Zeichnungen, die sie in ihrer Tasche stecken hatte. Süß gemalte Bilder von einem Blockhaus und einem Stall, die ihre Cousine Janie in ihrem letzten Brief an McKenna mitgeschickt hatte. Sie konnte es kaum erwarten, die kleine Künstlerin kennenzulernen. McKenna sah ein älteres Ehepaar durch den Mittelgang des Geschäfts auf sich zukommen und trat zur Seite, um ihnen Platz zu machen. Sie bemerkte das gut gelaunte Augenzwinkern, mit dem der ältere Herr sie bedachte, und beobachtete, welche Aufmerksamkeit er der Frau an seiner Seite schenkte. Wie er sie am Ellenbogen stützte und seine andere Hand fürsorglich an ihren Rücken legte. Wie er ihre Schritte vorhersah, als sie die Stufen zum Bürgersteig hinabsti...

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