0

Nationale Minoritäten im Krieg

'Feindliche Ausländer' und die amerikanische Heimatfront während des Ersten Weltkriegs

Erschienen am 25.10.2000
35,00 €
(inkl. MwSt.)

Nicht lieferbar

In den Warenkorb
Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783930908615
Sprache: Deutsch
Umfang: 758 S., 32 s/w Illustr., 20 s/w Tab., 2 Grafiken,
Format (T/L/B): 5.5 x 23.5 x 16.5 cm
Einband: gebundenes Buch

Beschreibung

Christian Heurich verstand die Welt nicht mehr. Ausgerechnet er, ein bekannter Brauereibesitzer, sollte Funkgeräte beschafft haben, um bei sich bietender Gelegenheit militärische Geheimnisse an den Feind zu verraten. Doch damit nicht genug: Um mit Kanonen das Kapitol im weit entfernten Washington beschießen zu können, hätte er, so der amerikanische Geheimdienst, auf seiner Farm gut getarnt entsprechende Vorrichtungen installiert. Was Christian Heurich plötzlich verdächtig machte: Er lebte als gebürtiger Deutscher in den USA. Seit dem 6. April 1917 befand sich Amerika mit Deutschland im Krieg, und die Deutschstämmigen, denen man schon seit Kriegsbeginn mit Mißtrauen begegnete, wurden nun offiziell zu 'enemy aliens', zu 'feindlichen Ausländern'. Der Krieg hatte die Zivilbevölkerung erreicht. Daß man weitab vom eigentlichen Kampfgebiet war, machte nur einen graduellen Unterschied, denn ohne eine geschlossene Heimatfront, so die Überzeugung der Amerikaner, könne es auch keine starke militärische Front geben. Wie aber schafft man diesen Zusammenhalt in einem Einwanderungsland, dessen Bevölkerung sich aus etlichen verschiedenen nationalen Gruppen zusammensetzt? Welche Formen nimmt die gesellschaftliche Mobilisierung gegen tatsächliche oder, häufiger noch, vermeintliche innere Feinde an? Die Antworten, die Jörg Nagler in seiner Studie gibt, zeigen die Unerbittlichkeit und die schwer zu kontrollierende Dynamik staatlicher Reaktion. Eindrücklich ist, wie schnell das beklemmende Wechselspiel zwischen öffentlicher Meinung, Medien und offiziellen Institutionen die Bereitschaft zur Entrechtung mißliebiger Personen wachsen läßt. Maßnahmen wie Aufenthaltsverbote an bestimmten Orten oder sogar Internierungen werden gerechtfertigt und erscheinen durch die Umstände geboten. Ein Staat, der Krieg führt, verändert sich und seine Bevölkerung, auch dann, wenn das eigene Territorium nicht zum eigentlichen Kriegsschauplatz zu rechnen ist. Zur Bekämpfung des vermeintlichen Feindes, der als um so gefährlicher galt, je unauffälliger er sich in der Bevölkerung bewegte, wurde staatlicherseits ein umfassendes Kontroll- und Sanktionsinstrumentarium entwickelt, das außerdem durch patriotische Organisationen und denunziatorisches Engagement einzelner Unterstützung erfuhr. Der Begriff des Feindes erhielt auf diese Weise eine zusätzliche Bedeutung, die, wie der Autor vor allem auch am Beispiel der Behandlung 'feindlicher Ausländer' im Zweiten Weltkrieg illustriert, bei Bedarf mühelos reaktiviert werden konnte. Zum Autor: Jörg Nagler, geboren 1950, studierte Geschichte, Amerikanistik, Philosophie und Politikwissenschaft. Seine 1984 veröffentlichte Promotion setzt sich mit der politischen Aktivität von exilierten Achtundvierzigern während des Amerikanischen Bürgerkriegs auseinander. Er war fünf Jahre wissenschaftlicher Mitarbeiter am Deutschen Historischen Institut in Washington, D.C. und mehrere Jahre Direktor des Kennedy Hauses Kiel, bevor er 1998 die Professur für Nordamerikanische Geschichte an der Universität Jena übernahm.