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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783886807901
Sprache: Deutsch
Umfang: 496 S., 125 s/w Illustr., ca. 50 s/w-Abb.
Format (T/L/B): 4.1 x 22.2 x 14.7 cm
Einband: Leinen

Beschreibung

Als der 21-jährige Wolf Jobst Siedler 1947 aus der Kriegsgefangenschaft nach Berlin zurückkehrt, ist die ehemalige Reichshauptstadt eine in Trümmern liegende 'Viermächtestadt'. Aber selten war das intellektuelle Leben so aufregend, und Siedler hatte daran teil. Im Osten ging er in die Premiere von Bertolt Brechts 'Mutter Courage', im Westen in die deutsche Uraufführung von Sartres 'Fliegen' und Thornton Wilders 'Wir sind noch einmal davongekommen', die Sensation der damaligen Berliner Theatersaison. Für noch mehr Furore sorgten damals junge Autoren, und das Buch erzählt von ihnen. Der junge Heinrich Böll besucht Wolf Jobst Siedler in dessen Dahlemer Elternhaus. Siedler verleiht als Juryvorsitzender Martin Walser seinen ersten Literaturpreis für den Roman 'Ehen in Philippsburg', im Kolbe- Haus trifft er den damals halbverfemten Gottfried Benn, der aus ungedruckten Gedichten liest. Als Panzer den Aufstand vom 17. Juni gerade niedergeschlagen haben, wird Siedler 1953 zum Sekretär des 'Kongresses für die kulturelle Freiheit' bestellt. Mit 29 Jahren leitet er das Feuilleton des 'Tagesspiegels' und wird zu einem Schrittmacher im literarischen und kulturellen Leben der geteilten Stadt. Glänzend erzählt sind seine Begegnungen: mit Thomas Mann in Bad Gastein, mit Konrad Adenauer im Hotel am Zoo, er erinnert sich an Hannah Arendt und Verhandlungen mit Martin Heidegger, an Ernst Jünger und an ein Autorengespräch mit Carl Schmitt. Die legendären Berliner Lokalitäten lässt der Autor vor seinem inneren Auge Revue passieren. Episoden wechseln sich ab mit unvergesslichen Begegnungen und prägenden Lektüren. Wenn die Literaturkritik bislang den Berlin-Roman vermisste, hier findet sie ihn: freilich ein Roman mit einem strengen Realitätsprinzip. Mit leidenschaftlicher Skepsis hat Wolf Jobst Siedler immer wieder auf Versäumnisse und Fehlentwicklungen hingewiesen. Sein Buch 'Die gemordete Stadt' sorgte 1964 für Furore. Neben die Kritik tritt der Spaziergang über die 'Pfaueninsel': zwei Facetten einer Stadt, deren Zukunft Wolf Jobst Siedler uns in ihrer Vergangenheit entschlüsselt. Ausstattung: ca. 50 s/w-Abb.

Autorenportrait

Wolf Jobst Siedler, 1926 geboren, wurde in den fünfziger Jahren einer der bedeutendsten Publizisten und Verleger Deutschlands. Fast zwanzig Jahre lang leitete er die Verlage Ullstein und Propyläen sowie von 1980 bis 1998 den von ihm gegründeten Siedler Verlag. Siedler trat durch zahlreiche Essays und Bücher auch selbst als Kritiker und Kommentator der politischen Zustände Deutschlands hervor. Zu seinen wichtigsten Büchern zählen "Die gemordete Stadt" (1964), "Auf der Pfaueninsel" (1986), "Abschied von Preußen" (1991) und seine Erinnerungen "Wir waren noch einmal davongekommen" (2004). Sein Werk wurde mit einer Vielzahl von Preisen, unter anderem dem Großen Schinkel-Preis, dem Ernst-Robert-Curtius-Preis für Essayistik und dem Nationalpreis ausgezeichnet. Wolf Jobst Siedler starb im November 2013 in seiner Heimatstadt Berlin.

Leseprobe

Sieht man aus dem Abstand von f?nfzig Jahren auf die Nachkriegszeit, so blickt man in eine fremde Welt. Fern ist sie, so historisch wie die Ausrufung der Republik 1918 der Proklamation des Kaiserreiches 1871 gewesen ist, beide Male f?nfzig Jahre. Es ist kaum zu fassen, dass auch diesmal ein halbes Jahrhundert vergangen ist seit den letzten Tagen im Bunker unter der Reichskanzlei, als sich die Davongekommenen in der Nachkriegszeit einzurichten suchten. Mit einem Mal wird mir bewusst, dass es geschichtliche Perspektiven sind, in die das eigene Leben ger?ckt ist. R?ckkehr, aber keine Heimkehr Nun war ich also wieder zu Hause. Als ich im Herbst 1947 den englischen Milit?ug, der mich aus der Kriegsgefangenschaft zur?ckgebracht hatte, am G?terbahnhof Lichterfelde-West verliess, schien auf den ersten Blick alles wie in Kindertagen. Der Vorplatz zum Bahnhof in seiner vertrauten kaiserzeitlichen Architektur sah wie immer aus, vielleicht ein wenig heruntergekommen, denn seit den Friedensjahren waren die Fassaden und die Fensterkreuze nicht gestrichen worden, und auf den Balkons gab es keine Geranien oder Petunien mehr. Aber die Behaglichkeit der H?er war die alte, und die Besatzungstruppen nahm ich zumindest nicht wahr, obwohl doch wahrscheinlich Jeeps die leeren Strassen entlangfuhren, die einst zur Hauptkadettenanstalt in Gross-Lichterfelde gef?hrt hatten, wo mein Grossvater als junger Offizier die Kadetten Grundz?ge der Taktik gelehrt hatte. Im Fr?hjahr 1933 war sie von einer SS-Einheit okkupiert worden, die sich sp?r ?Leibstandarte Adolf Hitler? nannte. Der Bombenkrieg war an Lichterfelde wie an Dahlem weitgehend vor?bergegangen, und w?end ich mich zu Fuss aufmachte, die vertrauten Strassen ?ber ?Unter den Eichen? hinweg ? einst das Berliner Mittelst?ck der Reichsstrasse Nr. 1 von Aachen nach Eydtkuhnen ? die Habelschwerdter Allee ?ber die Thielallee bis zur K?nigin-Luise-Strasse entlangzugehen, ziemlich schwer mit aus der Gefangenschaft mitgebrachten Lebensmitteln f?r meine Eltern beladen, fielen mir nur drei oder vier niedergebrannte H?er in die Augen. Auch der heimatliche Falkenried hatte sich kaum ver?ert. Die H?er waren wie stets im Herbst mit wildem Wein bewachsen, der sich jetzt im September rot f?te. ?er die D?er gr?ssten die Wipfel der alten Kastanien, Nussb?e und Blutbuchen, die seit je in den G?en gestanden hatten. Erst in den kommenden Jahrzehnten sollten sie von den neuen Besitzern der H?er fast ausnahmslos gef?t werden, weil Sonnenhunger sie beherrschte. Sie liessen Zwergkoniferen und ?nichtlaubabwerfendes? Geh?lz anstelle der alten Baumriesen pflanzen. Das Ende der alten Zeit gibt sich auch im Botanischen zu erkennen. Die Gesellschaft, da man in umschatteten Lauben den Tee einnahm, gab es nicht mehr. Nun wollte man auf sonnenbeschienener Terrasse sitzen. Das Sonnen?l ist das eigentliche Erkennungsmerkmal der neuen Zeit. Ich stand vor dem Elternhaus, als wenn ich von einer l?eren Reise zur?ckgekommen w?, fast war ich versucht, die Klingel zu bet?gen, auf der noch immer der Name meines Vaters stand: Dr. jur. Wolf Jobst Siedler. Aber fast alle H?er, auch unser eigenes, waren inzwischen erst von den Russen, dann von den Amerikanern beschlagnahmt worden, worauf mich schon die ?Amikreuzer? aufmerksam machten, deren Ausmasse in einem Missverh?nis zu der Gr?sse der eher bescheidenen Reihenh?er aus der Vorweltkriegszeit standen. Alles schien wie in alter Zeit zu sein. Ich war daheim. Aber war ich wirklich zu Hause? In den n?sten Tagen und Wochen sollte ich sehen, dass vieles anders war, ganz abgesehen davon, dass die Familie nicht mehr im alten Haus wohnte. Die meisten Nachbarn aus Vorkriegstagen waren nicht mehr da, die einen waren in den dreissiger Jahren emigriert, andere, wie mein Klassenkamerad Dieter Huth aus einer Seitenstrasse des Falkenrieds mit achtzehn Jahren noch in den letzten Wochen des Krieges gefallen und wieder andere vor dem Einzug der Russen in den Westen gegangen. Die Welt meiner Eltern und me Leseprobe

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