0

Ich bin ein japanischer Schriftsteller

Roman

Erschienen am 27.07.2020
Auch erhältlich als:
22,00 €
(inkl. MwSt.)

Lieferbar innerhalb 1 - 2 Wochen

In den Warenkorb
Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783884236284
Sprache: Deutsch
Umfang: 200 S.
Format (T/L/B): 2.1 x 21.3 x 14 cm
Einband: gebundenes Buch

Beschreibung

Es ist nur ein Titel: 'Ich bin ein japanischer Schriftsteller'. Er hat nicht vor, das Buch zu schreiben. Doch der Titel lässt ihn nicht los. Er träumt davon, ein japanischer Schriftsteller zu werden und fragt sich, was steckt dahinter, woher kommt diese Obsession? In den Fußstapfen des japanischen Dichters Basho (1644-1694), den er lesend auf seiner Wanderreise durch den Norden Japans begleitet, macht er sich auf die Suche. Er begegnet der japanischen Sängerin Midori, die gerade dabei ist, die Musikszene in Montreal zu erobern. Von ihr und ihrer Clique queerer Manga-Mädchen und einem androgynen Fotografen fühlt er sich erotisch so angezogen, dass er ohne die Mädchen nicht mehr leben kann. Er will einen Film über sie drehen. Die Harakiri Gedanken der Mädchen bringen ihn dazu, Mishima (1925-1970) neu zu lesen. Als eines der Mädchen Selbstmord begeht, sieht er sich plötzlich in einen Mord verwickelt. Dass ein Ausländer, noch dazu ein Schwarzer, behauptet ein japanischer Schriftsteller zu sein, verstört die nationale Befindlichkeit in Japan. Das japanische Konsulat in Montreal wird auf ihn angesetzt; er wird in Japan berühmt für ein Buch, das er nicht geschrieben hat und versucht sich vor japanischen Fans zu retten. Ein Buch für alle, die gerne mal jemand anderes wären. Dany Laferrière behandelt das Thema der Identität und Alterität - worin wir uns ähnlich sind und worin wir uns unterscheiden - in all seinen Facetten, ohne sich scheinbar von gängigen Japan Klischees zu entfernen. Eine intelligente, witzige, freche und teilweise auch frivole Antwort auf die für uns alle hochaktuelle Frage: Wer und was entscheidet letztlich über unsere Zugehörigkeit und Identität?

Autorenportrait

Dany Laferrière, geboren 1953 in Port-au-Prince, Haiti, arbeitete zunächst als Journalist, bis er sich 1976 unter dem Druck des politisch repressiven Klimas gezwungen sah, nach Montreal ins Exil zu gehen. Dany Laferrière hat 30 Romane geschrieben und ist einer der bekanntesten Autoren der französischsprachigen Literatur. 2014 bekam er als Autor und Beate Thill als seine Übersetzerin den renommierten, vom Haus der Kulturen der Welt in Berlin vergebenen, Internationalen Literaturpreis für seinen Roman Das Rätsel der Rückkehr. Bei Wunderhorn erschien von ihm außerdem Tagebuch eines Schriftstellers im Pyjama und Die Kunst, einen Schwarzen zu lieben ohne zu ermüden. Dany Laferrière wurde 2015 in die Académie française aufgenommen.

Leseprobe

Zwei Mondgesichter lächelten mir breit aus dem hinteren Teil des Raums zu. Gleicher schwarzer Anzug, gleicher Haarschnitt, gleiches Lächeln. Wer war Herr Mishima? Wo war Herr Tanizaki? Ich nahm mir vor, keinen Unterschied zu machen. Sie standen gleichzeitig auf. "Ich bin Herr Mishima, Vizekonsul von Japan. Offiziell bin ich der Kulturattaché, aber mein Bereich ist nicht klar abgegrenzt. Im Konsulat mischen alle mit. Es ist mir unangenehm, Sie so bescheiden zu empfangen." Geprusteter Protest. "Und ich bin sein Assistent, Herr Tanizaki." "Setzen Sie sich doch", sagte Herr Mishima zu mir. Es war vielleicht auch Herr Tanizaki, aber ich achtete nicht darauf, wer wer war. Ich setzte mich. Ich hätte sowieso nicht auf ihre Erlaubnis gewartet. Herrn Tanizaki (oder Herr Mishima) war es so wichtig, wie ich saß, dass er von jedem Detail besessen war, das mein Wohlbefinden stören konnte. Wie ein Insektenforscher, der ein schwarzes Insekt in eine hübsche Lackschachtel stecken will. Offenkundig war Schwarz die Farbe des Hauses: Tische, Stühle, Teller und Tischtücher waren schwarz, während Gabeln und Messer rot waren. Herr Mishima verlangte urplötzlich einen anderen Tisch. Da aber alle Tische vergeben waren, wollte er mit mir den Platz tauschen. Ich musste ihm schwören, mir gefiele sehr gut, wo ich saß. Er war immer noch nicht zufrieden. Er schaute Herrn Tanizaki an, der sofort aufsprang, um mir seinen Platz zu überlassen, von dem aus man auf die Straße sehen konnte. Schon gut, schon gut. Dieses Theater dauerte, bis Herr Mishima wirklich sicher war, nichts mehr tun zu können, um mir den Restaurantbesuch angenehm zu gestalten. Ich wusste, es war die höfliche asiatische Art, mich willkommen zu heißen, aber mir passte das ganz und gar nicht. Am Ende erwarteten sie, dass ich ebenfalls Anstrengungen unternahm, von denen ich nichts wusste. Nein, sie waren die tausendjährige, verfeinerte Kultur, ich war das junge und wilde Amerika. Ich zog den Bauch ein, presste die Knie zusammen, krümmte die Schultern, um den kleinen Raum zu nutzen, der mir zugestanden wurde. Ein kompakter Genuss. Ein kurzer Blick in den Saal zeigte mir, dass dieses Restaurant einer gewissen Körpergröße angepasst war, als wollte man andere, größere Formate - etwa schwarze amerikanische Basketballspieler - abschrecken.