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Die schreckliche Wirklichkeit des Lebens an meiner Seite

Roman

Erschienen am 16.04.2013
Auch erhältlich als:
Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783827011350
Sprache: Deutsch
Umfang: 248 S.
Format (T/L/B): 2.4 x 21 x 13.5 cm
Einband: gebundenes Buch

Beschreibung

Genf im Hochsommer 2008, neun entscheidende Tage im Leben von Frank Stremmer: Seine Freundin Marion hat sich für unbestimmte Zeit zurück nach Deutschland verabschiedet. Und Paul Carragher, sein vollalkoholisierter englischer Vorgesetzter, heckt einen dilettantischen Plan aus, um seinen Job und nicht zuletzt auch den von Stremmer zu retten. Doch der sonnt sich lieber mit der japanischen Kellnerin Mari an abgelegenen Stränden des Genfer Sees und gerät auf bunt schillernde Trips. Und neben Mari gibt es noch Céline, Stremmers extrem attraktive Kollegin. Sie begleitet ihn auf eine verhängnisvolle Dienstreise in geheimer Mission, denn Carraghers Plan zur Rettung in letzter Sekunde geht nicht nur schief - er gerät zur Farce.

Autorenportrait

Christoph Höhtker, geboren 1967 in Bielefeld, studierte Soziologie, war Taxifahrer, Journalist, Werbetexter und Sprachlehrer. Sein Romandebüt "Die schreckliche Wirklichkeit des Lebens an meiner Seite" erschien 2013 im Berlin Verlag.

Leseprobe

I. Zum Beispiel: Ich sitze auf diesem gigantischen Sofa und trinke WodkaOrangensaft, und allmählich, ganz allmählich, beginne ich, mich von der Parkplatzsuche zu erholen, die uns vorhin durch halb Petit-Saconnex und bis an den Rand des Wahnsinns geführt hat. Der Mann neben mir heißt eventuell Claude. Claude behauptet, er sei Frankokanadier. Außerdem arbeite er als Program Manager bei der WHO, und momentan beschäftige er sich mit dem Aufbau von Meldesystemen für Tuberkulosefälle, und sein Betätigungsfeld seien im Wesentlichen die mittelasiatischen Transformationsstaaten und gegenwärtig. Glaubt der Mann wirklich, dass ich solche Informationen noch abspeichere? Ich unterbreche Claude und teile ihm mit, dass mir nicht ganz klar sei, was meine Abteilung eigentlich anstelle mit Geldverbrennen habe es aber in jedem Fall auch zu tun. Er zögert kurz, entscheidet sich dann jedoch, die Bemerkung witzig zu finden. Ob ich einverstanden sei, wenn er die weitere Getränkeversorgung übernähme. Das bin ich, ganz und gar, weswegen sich Claude unverzüglich in Richtung Hausbar aufmacht. Der Raum hat die Größe eines mittelasiatischen Transformationsstaates. Überall stehen Menschen und Aschenbecher herum, aber niemand raucht. Kein Wunder, schließlich liegt der Anteil der Banker plus Anhang, also all derjenigen, die nicht in einer internationalen Organisation arbeiten, bei gespenstischen zehn Prozent. Wichtigstes Unterscheidungsmerkmal: die Kleidung. Geldleute sehen einfach besser aus. Vernünftige Anzüge, bei den Frauen raffinierte Kostüme, aussagekräftig geschnittene Hosen usw. Selbst die Missratensten unter uns machen durch die Aufmachung immer noch vieles wett. Bei den Internationalen findet sich dagegen so gut wie nie jemand, der attraktiv und gut gekleidet ist. Diese provokative Kombination scheint per Dienstvorschrift von vorneherein ausgeschlossen. Marion glaubt, das liege an den vielen Amerikanern in diesen Läden. Ich bin mir da nicht so sicher; ich könnte mir andere, subtilere, sogar ideologische Gründe vorstellen. Vor allem aber könnte ich mir vorstellen, noch etwas zu trinken, weswegen ich Claudes (weder attraktiv noch gut gekleidet) Rückkehr mit einem eine Spur zu lauten Johlen quittiere. Wir stoßen an. Er fragt, aus welchem Teil Deutschlands ich komme. 'Aus dem Osten', lüge ich spontan und gebe anschließend einen Abriss der Situation in meinem Heimatdorf. Claude findet das alles sehr interessant. Eine Weile saugt er meine Berichte über Okkultistenrudel und Kannibalismus-Verdachtsfälle förmlich in sich auf. Dann jedoch, das spüre ich, will er selbst wieder zu Wort kommen, mir künden von den Ursprüngen seiner jeden Monat mit schätzungsweise achttausend steuerfreien Schweizer Franken angereicherten Existenz. Ich nippe also noch mal an diesem Monsterwodka und frage: 'And Canada, it's nice there, isn't it?' Und während Claude beginnt, von Montreal und der kanadischen Natur zu schwärmen, von Freiheit und Weite, von Eisbären und Kunsthandwerk, versinke ich langsam wieder in den Tiefen dieses wirklich unglaublich bequemen Sofas. Irgendwann, sehr viel später, stehe ich mit einigen Leuten auf dem Balkon. Wir unterhalten uns - ich erfinde das nicht! über Sprachen. Niemand hat auch nur ansatzweise meinen Alkoholisierungsgrad erreicht, und ich höre mich mit heiserer Stimme deklamieren, dass Latein mit Abstand meine Lieblingssprache ist. 'Oh really? How interesting!' 'But why? Tell us why!' Ich lasse mir Zeit mit der Antwort und schaue zunächst in den sternensatten, albtraumhaften Genfer Nachthimmel. Dann sage ich auf Deutsch: 'Weil Latein eine absolut tote Sprache ist', und später im Auto sagt Marion, meine langjährige Lebensgefährtin Marion Gräfe, dass sie mich nicht mehr ertragen könne, und danach schweigt sie, bis wir in unsere Straße einbiegen. Zum Beispiel: Ich sitze an der Rhône auf diesen breiten Steintreppen, die aussehen wie Zuschauerränge. Um mich herum Finanz