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Sämtliche Werke. Werkausgabe in 22 Bänden, komplett / Strahlungen II (Sämtliche Werke. Werkausgabe in 22 Bänden, komplett, Bd. ?)

Strahlungen II - Erste Abteilung: Tagebücher III, Sämtliche Werke. Werkausgabe in 22 Bänden, komplett

Erschienen am 29.07.1998
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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783608934731
Sprache: Deutsch
Umfang: 659 S.
Format (T/L/B): 4.6 x 24.4 x 16.5 cm
Einband: gebundenes Buch

Beschreibung

Umfasst das 'zweite Pariser Tagebuch' den Zeitraum vom Februar 1943 bis zum August 1944, so siedelt Jünger mit dem Vorrücken der alliierten Truppen von Paris wieder nach Kirchhorst bei Hannover über. Die dort verfassten 'Blätter' enden mit dem Eintreffen der amerikanischer Soldaten. 'Die Hütte im Weinberg' war zunächst 1958 unter dem Titel 'Jahre der Okkupation' veröffentlicht worden und beschreiben Jüngers Erleben der Besatzungszeit. Wie auch Jüngers Erstling 'In Stahlgewittern' waren auch die 'Strahlungen' gleichermaßen erfolgreich wie umstritten, wenn er etwa die Bombardierung von Paris als ästhetisches Schauspiel beschreibt.

Autorenportrait

Ernst Jünger, am 29. März 1895 in Heidelberg geboren. 1901-1912 Schüler in Hannover, Schwarzenberg, Braunschweig u. a. 1913 Flucht in die Fremdenlegion, nach sechs Wochen auf Intervention des Vaters entlassen 1914-1918 Kriegsfreiwilliger 1918 Verleihung des Ordens 'Pour le Mérite'. 1919-1923 Dienst in der Reichswehr. Veröffentlichung seines Erstlings 'In Stahlgewittern'. Studium in Leipzig, 1927 Übersiedlung nach Berlin. Mitarbeit an politischen und literarischen Zeitschriften. 1936-1938 Reisen nach Brasilien und Marokko. 'Afrikanische Spiele' und 'Das Abenteuerliche Herz'. Übersiedlung nach Überlingen. 1939-1941 im Stab des Militärbefehlshabers Frankreich. 1944 Rückkehr Jüngers aus Paris nach Kirchhorst. 1946-1947 'Der Friede'. 1950 Übersiedlung nach Wilflingen. 1965 Abschluß der zehnbändigen 'Werke'. 1966-1981 Reisen. Schiller-Gedächtnispreis. 1982 Goethe-Preis der Stadt Frankfurt/Main.1988 Mit Bundeskanzler Kohl bei den Feierlichkeiten des 25. Jahrestags des Deutsch-Französischen Vertrags. 1993 Mitterrand und Kohl in Wilflingen. 1998 Ernst Jünger stirbt in Riedlingen.

Leseprobe

Pariser Tagebuch Paris, 27. Mai 1944 Alarme, Überfliegungen. Vom Dache des 'Raphael' sah ich zweimal in Richtung von Saint-Germain gewaltige Sprengwolken aufsteigen, während Geschwader in großer Höhe davonflogen. Ihr Angriffsziel waren die Flußbrücken. Art und Aufeinanderfolge der gegen den Nachschub gerichteten Maßnahmen deuten auf einen feinen Kopf. Beim zweiten Mal, bei Sonnenuntergang, hielt ich ein Glas Burgunder, in dem Erdbeeren schwammen, in der Hand. Die Stadt mit ihren roten Türmen und Kuppeln lag in gewaltiger Schönheit, gleich einem Kelche, der zu tödlicher Befruchtung überflogen wird. Alles war Schauspiel, war reine, von Schmerz bejahte und erhöhte Macht. Paris, 21. Juli 1944 Gestern wurde der Anschlag bekannt. Ich erfuhr die Einzelheiten durch den Präsidenten, als ich gegen Abend aus Saint-Cloud zurückkehrte. Die höchst gefährliche Lage gewinnt damit noch eine besondere Zuspitzung. Der Attentäter soll ein Graf Stauffenberg sein. Ich hörte den Namen bereits von Hofacker. Das würde meine Meinung bestätigen, daß an solchen Wenden die älteste Aristokratie ins Treffen tritt. Aller Voraussicht nach wird diese Tat furchtbare Gemetzel einleiten. Auch wird es immer schwieriger, die Maske zu bewahren - so geriet ich heute vormittag in einen Wortwechsel mit einem Kameraden, der das Ereignis als 'unerhörte Schweinerei' bezeichnete. Dabei bin ich seit langem der Überzeugung, daß durch Attentate wenig geändert und vor allem nichts gebessert wird. Ich deutete das schon in der Schilderung Sunmyras in den 'Marmorklippen' an. [.] Kirchhorst, 11. April 1945 Beim Morgengrauen werden wir durch das Rollen von Panzern geweckt. Die Steller Geschütze treten nicht ins Gefecht. Es heißt, daß ihre Besatzung sich in der letzten Nacht zerstreute, nachdem sie mit den letzten Schüssen ihre Kanonen gesprengt und ihren Feldmeister, der in Zivil entfliehen wollte, umgebracht hatte. Das war der Mannn, der über die Einebnung der Gefangenenlager sann. Nun liegt seine Leiche im Spritzenhaus. Um neun Uhr kündet ein gewaltiges, sich immer mehr verstärkendes Mahlen die Ankunft der amerikanischen Panzer an. Die Straße ist menschenleer. Der übernächtige Blick sieht sie noch kahler, luftleer, im Morgenlicht. Ich bin in diesem Landstrich, wie schon so oft im Leben, der letzte, der Kommandogewalt besitzt. Gab gestern den einzigen Befehl in diesem Zusammenhange: die Panzersperre zu besetzen und dann zu öffnen, wenn die Spitze sichtbar wird. [.] Ununterbrochen, langsam, doch unwiderstehlich wälzt sich der Strom vorbei, die Flut von Männern und Stahl. Die Mengen von Sprengstoff, die ein solcher Heereszug bewegt, umgeben ihn mit einer furchtbaren Ausstrahlung. Und wieder, wie schon 1940 auf den Vormarschstraßen um Soissons, empfinde ich den Einbruch gewaltiger Übermacht in eine völlig zerschmetterte Region. Und auch Trauer kehrt wieder, die mich damals schon ergriff. [.] Man kann das Notwendige sehen, begreifen, wollen und sogar lieben und doch zugleich von ungeheurem Schmerz durchdrungen sein. Das muß man wissen, wenn man unsere Zeit und ihre Menschen erfassen will.