0

Kap der Finsternis

Roman, Tropen

Erschienen am 03.03.2009
Auch erhältlich als:
22,00 €
(inkl. MwSt.)

Nicht lieferbar

In den Warenkorb
Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783608502022
Sprache: Deutsch
Format (T/L/B): 3 x 21.4 x 15.2 cm
Einband: gebundenes Buch

Beschreibung

Bester Krimi 2009 - KrimiWelt-Jury Deutscher Krimi Preis 2010

Autorenportrait

Roger Smith, geboren 1960, renommierter Drehbuchautor, Regisseur und Produzent, lebt und arbeitet in Thailand. Während der südafrikanischen Apartheidjahre hat er das erste hautfarbenübergreifende Filmkollektiv gegründet. Daraus ist eine Reihe von wichtigen, international erfolgreichen Protestfilmen hervorgegangen. Sein Debüt »Kap der Finsternis« aus dem Jahr 2009 war ein großer internationaler Erfolg und wird in Hollywood verfilmt. 2010 erschien »Blutiges Erwachen«, beide Bücher standen wochenlang auf Platz 1 der KrimiWelt-Bestenliste.

Leseprobe

KAPITEL 1 Jack Burn stand auf der Terrasse des Hauses hoch über Kapstadt und schaute zu, wie die Sonne sich im Meer ertränkte. Der Wind, dieser Südostwind, der Burn an die Santa Anas zuhause erinnerte, wehte wieder stärker. Ein Wind, der die Nacht in ein Treibhaus verwandelte, der die Menschen angespannt und gereizt werden ließ, der Cops und Notärzte in falsche Entscheidungen verwickelte. Burn hörte das Röhren des Autos ohne Schalldämpfer, das langsam ausrollte und schließlich stehen blieb. Das Wummern von Bassboxen, die Gangsta-Rap hinauspulsten. Nicht gerade der übliche Soundtrack in diesem vornehmen weißen Viertel an den Hängen des Signal Hill. Der Wagen setzte in hohem Tempo zurück und hielt ganz in der Nähe wieder an. Der Motor wurde ausgemacht, der Rap verstummte mitten in einem muthafuckah. Burn schaute zur Straße hinunter, konnte aus seiner Position den Wagen aber nicht sehen. Susan beobachtete ihn aus dem Haus. Die Verandatüren standen offen. »Komm essen.« Sie drehte sich um und verschwand im Halbdunkel. Burn ging hinein und schaltete das Licht an. Das moderne Haus hatte klare, harte Linien. Ganz ähnlich dem reichen, jungen Deutschen, der es ihnen für sechs Monate vermietet hatte, während er nach Hause zurückkehrte, um in Stuttgart am Sterbebett seines Vater zu sitzen. Susan brachte das Filet aus der Küche, bewegte sich in diesem für Hochschwangere typischen, nach hinten gebeugten Watschelgang mit nach außen gestellten Füßen. Sie war wunderschön. Klein, blond, mit einem Gesicht, das sich hartnäckig weigerte zuzugeben, bereits achtundzwanzig zu sein. Abgesehen von dem riesigen Bauch sah sie immer noch exakt so aus wie vor sieben Jahren. Burn erinnerte sich noch genau an diesen Augenblick, als er sie das erste Mal gesehen hatte, an dieses Gefühl, wie ihm die Luft aus den Lungen gepresst wurde, wie ihm ganz schwindlig geworden war bei dem plötzlichen Wissen, dass er diese Frau heiraten würde. Und so kam es dann auch, keine sechs Monate später, und er tat ihren Altersunterschied mit einem Lachen ab. Susan sah zwar immer noch genauso aus, war aber nicht mehr dieselbe. Ihre Leichtigkeit war verschwunden, ihr unbefangenes Lachen nur noch eine Erinnerung. In letzter Zeit schien sie in ständiger Zwiesprache mit ihrem ungeborenen Kind zu stehen. So sprach sie davon, von ihrem Kind. Ihrer Tochter. Als gehörten Burn und Matt einer anderen Spezies an, als stünden sie außerhalb dieses exklusiven Zweierklubs. Burn schnitt das Filet mit einem Tranchiermesser auf, Blut sammelte sich auf dem Holzbrett. Perfekt. Englisch, so wie sie es alle am liebsten mochten. Matt lag auf dem Bauch vor dem Plasma-Fernseher und sah eine Sendung im Cartoon Network. Genau wie zuhause. »Hey, komm rüber und iss mit uns«, sagte Burn. Matt, nur mit ausgebeulten Shorts bekleidet, wollte schon protestieren, überlegte es sich dann jedoch anders und kam zum Tisch. Er war vier, blond wie seine Mutter, wobei allerdings die Statur seines Vaters bereits zu erahnen war. Susan hatte sich schon hingesetzt und verteilte Salat auf ihren Tellern. Sie schaute Matt nicht an. »Geh die Hände waschen.« »Die sind doch gar nicht schmutzig«, meinte er, während er auf einen Stuhl kletterte. Er streckte ihr die Hände zur Kontrolle hin. Sie beachtete ihn nicht. Das war keine bewusste Handlung, es war vielmehr, als sei sie nicht mehr auf seine Frequenz eingestellt. Als erinnerte ihr Sohn sie zu sehr an seinen Vater. Burn versuchte, Susans Aufmerksamkeit zu gewinnen, sie irgendwie zu ihnen zurückzuholen. Doch sie starrte nur auf ihren Teller. »Hör auf deine Mutter«, sagte er sanft, und Matt verschwand auf nackten Füßen schlitternd Richtung Bad. Burn schnitt gerade das Fleisch, als die zwei braunhäutigen Männer von der Terrasse hereinkamen. Beide trugen Waffen, die sie wie in einem Actionfilm im rechten Winkel vor sich hielten. Aus ihrem Lachen schloss er, dass beide bis zum Anschlag voll mit Speed waren. An dem Abend, als der Ärger begann, beobachtete Benny Mongrel sie, die amerikanische Familie, auf der Terrasse des Hauses nebenan. Der Mann trank Wein, immer wieder mal tauchte kurz die blonde Frau auf, der Junge rannte zwischen Haus und Terrasse hin und her, die Schiebetür stand offen an diesem heißen Sommerabend. Die Momentaufnahme einer Welt, die Benny Mongrel nie kennengelernt hatte. Seit seinem vierzehnten Lebensjahr hatte er immer mal wieder im Gefängnis gesessen. Sicher war er nicht, schätzte aber, dass er demnächst vierzig wurde. So stand es jedenfalls in seinem Ausweis. Als er im Jahr zuvor nach einer sechzehnjährigen Haftstrafe auf Bewährung aus dem Pollsmoor Prison entlassen worden war, hatte er sich geschworen, nie wieder zurückzugehen. Unter gar keinen Umständen. Und deshalb schob er jetzt Nachtschicht als Baustellenwächter. Die Bezahlung war ein Witz, aber mit seinem Gesicht und den primitiven in seinen ausgezehrten braunen Körper geschnittenen Knast-Tätowierungen konnte er froh sein, überhaupt einen Job gefunden zu haben. Sie drückten ihm einen Gummiknüppel in die Hand und steckten ihn in eine viel zu große schwarze Uniform. Und sie gaben ihm einen Hund. Bessie. Halb Rottweiler, halb Schäferhund, ein Mischling wie er selbst. Sie war schon alt, sie stank, ihre Hüfte war hinüber und sie schlief die meiste Zeit, aber sie war das Einzige, was Benny Mongrel je geliebt hatte. Benny Mongrel und Bessie befanden sich auf der obersten Etage des Neubaus, das Dach noch offen zu den Sternen, als er das Auto hörte. Es war auf laut frisiert, so wie es draußen auf den Cape Flats gern gemacht wurde. Mongrel ging an den Rand des Balkons und schaute nach unten. Ein roter 3er BMW kam viel zu schnell die Straße herunter auf ihn zugerast. Der Fahrer trat genau unterhalb der Stelle auf die Bremse, an der Benny Mongrel stand. Die fetten, breiten Reifen gerieten auf Baustellensand, und das Heck des Wagens brach seitlich aus, bevor er zum Stehen kam. Der BMW setzte zurück, bis er sich auf einer Höhe mit der Baustellenzufahrt befand. Der Fahrer machte den Motor aus, und der Hiphop erstarb. Alles wurde völlig still. Benny Mongrel hörte das keuchende Atmen der schlafenden Bessie. Er hörte das leise Knacken des abkühlenden Motors. Er war angespannt. Er war sich dieses alten Gefühls bewusst, das er nur zu gut kannte. Unsichtbar stand Benny Mongrel da und schaute zu, wie die beiden Männer aus dem Wagen stiegen. Im Licht der Straßenbeleuchtung sah er genug, Baseballmützen mit nach hinten gedrehtem Schirm, weite, ausgebeulte Klamotten, die Stars and Stripes hinten auf der Jacke des großen Mannes, um sie als Mitglieder der Americans zu identifizieren, der größten Gang auf den Cape Flats. Seine natürlichen Feinde. Er war bereit für sie. Er legte den Gummiknüppel zur Seite und zog das wartende Messer aus der Tasche. Behutsam öffnete er die Klinge. Falls sie hier heraufkamen, würden sie ihren Müttern begegnen. Aber sie gingen zum Haus nebenan. Benny Mongrel beobachtete, wie der Größere seinen Kumpel hochwuchtete und der Kleine sich wie ein Affe auf die Terrasse hinaufzog. Von dort beugte er sich vor und streckte dem anderen Burschen die Hand hin. Von seinem momentanen Standort aus konnte Benny Mongrel die amerikanische Familie nicht sehen, aber er wusste, dass sie jetzt bei geöffneter Schiebetür beim Abendbrot am Tisch saßen. Er klappte das Messer zu und ließ es zurück in die Tasche gleiten. Willkommen in Kapstadt. Susan saß mit dem Rücken zu den Männern. Sie sah den Ausdruck auf Burns Gesicht und drehte sich um. Sie hatte nicht die Zeit zu schreien. Der ihr am nächsten war, der Kleinere, legte ihr eine Hand über den Mund und hielt ihr eine Kanone an den Kopf. »Ach, Scheiße, Schlampe, halt's Maul, oder ich knall dich ab.« Ein harter, kehliger Akzent. Die mageren Arme des Mannes waren mit Gang-Tätowierungen überzogen. Der große Mann war um den Tisch getreten und wedelte mit seiner Kanone vor Burns Nase. Burn legte das Tranchiermesser hin und hob deutlich sichtbar die Hä...

Schlagzeile

'Ein Buch so doppelgesichtig wie Kapstadt zwischen Zuckerbäckerhäuschen und brutalen Slums' (NZZ am Sonntag, 10.05.09)