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Wiederhole schweigend ein Wort

Wege zur inneren Freiheit

Erschienen am 15.06.2009
Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783579069999
Sprache: Deutsch
Umfang: 352 S.
Format (T/L/B): 3.2 x 22.1 x 14.4 cm
Einband: gebundenes Buch

Beschreibung

Eine Einführung in die Praxis der christlichen Meditation Ein theologisch fundierter Abriss der christlichen Mystik Eine Anleitung zur kontemplativen Meditation Seit über 22 Jahren sitzt Jens Söring in den USA hinter Gittern, verurteilt wegen Doppelmordes zu lebenslänglicher Haft. Im rauen Gefängnisalltag hat er einen intensiven spirituellen Weg eingeschlagen, der ihm hilft, in den zum Teil unmenschlichen Verhältnissen zu überleben. Wie er seinen Weg zum Glauben an Gott fand, beschreibt der Autor eindringlich in seinem neuen Buch. Neben einem theologisch fundierten Abriss der christlichen Mystik bietet Söring eine glänzende Einführung in die Praxis der christlichen Meditation, dessen Zentrum das »Gebet der Sammlung« ist: das eigene Selbst loslassen und sich Gott in der Stille öffnen.

Autorenportrait

Jens Söring, geboren 1966 in Bangkok, ist seit 1986 wegen eines Doppelmordes in Virginia (USA) inhaftiert. Angeblich soll er die Eltern seiner damaligen Freundin Elizabeth Haysom getötet haben. Jens Söring beteuert bis zum heutigen Tag seine Unschuld. 2001 lehnte der Oberste US Gerichtshof seine Revision endgültig ab. Jens Söring begann daraufhin zu schreiben. Er ist Autor zahlreicher Bücher zum Thema Spiritualität, Meditation, Rechtsprechung und Haftbedingungen in den USA. Im Gütersloher Verlagshaus erschien im Herbst 2008 sein bislang einziges Buch auf Deutsch: "Ein Tag im Leben des 179212".

Leseprobe

ICH BIN EIN GEFANGENER - und da Sie dem Impuls folgten, dieses Buch in die Hand zu nehmen und sich anzusehen, sind vielleicht auch Sie in irgendeiner Weise gefangen. Vielleicht mussten Sie Ihren Beruf aufgeben, weil Sie in der Pflicht stehen, jemanden aus Ihrer Familie im Alter zu pflegen. Vielleicht sind Sie von einem Unfall oder Verbrechen emotional und physisch angeschlagen. Oder Ihr Ehepartner ist verstorben und hat Sie mit haushohen Schulden allein zurückgelassen. Oder es sind Ihnen sonst irgendwelche Fesseln angelegt worden, die Ihre Freiheit einschränken. Mein Gefängnis gibt es buchstäblich, nicht nur metaphorisch. Es ist das Brunswick Correctional Center in Lawrenceville im US-Bundesstaat Virginia. Im Januar 2001 lehnte das Oberste Gericht der Vereinigten Staaten meinen letzten Berufungsantrag ab, meine einzige noch verbliebene Hoffnung auf Gerechtigkeit und Freiheit. Ihr Gefängnis mag weniger augenscheinlich sein als das meine, aber wirklich ist es genauso. Und sogar falls Sie im Unterschied zu mir einige Hoffnung auf Entlassung und damit eine bessere Zukunft haben sollten, bleibt uns jedenfalls derzeit eines gemeinsam: diese Mauern, die uns einschließen, diese Gitterstäbe, die uns umgeben. Mit diesem Buch möchte ich Sie auf eine Möglichkeit aufmerksam machen, Ihre Fesseln loszuwerden. Sie kennen sie vielleicht schon. Es ist die Möglichkeit, die Christus aufzeigte: Er war bereit, ein Gefangener zu werden, ließ sich freiwillig zur Hinrichtung führen und überwand dadurch die Welt. Wer seinem Ruf "Folge mir nach!" gehorcht, dem eröffnet sich die Möglichkeit, dass ihm ausgerechnet das, was ihn jetzt fesselt, zu einer größeren Freiheit verhilft. In meinem letzten Satz ist das Wort "Möglichkeit" von entscheidender Bedeutung. Ich musste im Lauf von siebzehn Jahren in elf verschiedenen Strafanstalten mit ansehen, wie der Schmerz viel öfter in die Verzweiflung als in die Hoffnung führte. Was mich selbst vor dem Bitterwerden bewahrt hat, ist eine spezifisch christliche Methode des Betens und Lebens. Jesus hat sie praktiziert, und nach ihm taten das genauso zweitausend Jahre hindurch unzählige Mönche, Nonnen und Menschen in der Welt. Weil das Ziel dieser Methode die Befreiung ist, scheint es mir passend, sie als den "Weg des Gefangenen" zu bezeichnen. Christus gab uns eine Wanderkarte für diesen Weg in die Hand, als er sagte: "Wer mein Jünger sein will, der verleugne sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach" (Matthäus 16,24).1 Ich habe eine Möglichkeit gefunden, wie man tatsächlich von sich selbst leer und für Gott offen werden kann: durch das "Gebet der Sammlung" - eine Möglichkeit, zu seinem Kreuz, seinen Fesseln und seinen Gefängnissen Ja zu sagen: das ist die kontemplativ-aktive Übung der "Praxis der Sammlung". Wenn beides zusammenwirkt, kann es den Menschen tatsächlich befreien. Das tut es nicht, indem es seine Fesseln sprengt, sondern indem es sein Ich zum Schmelzen bringt, das sich gefesselt fühlt. Wenn die Handgelenke vergehen, fallen die Handschellen zu Boden und man ist frei. Das Gebet der Sammlung Das Gebet der Sammlung ist eine moderne Spielart der alten Übung des kontemplativen Gebets. In den ersten 16 Jahrhunderten der Geschichte des Christentums hielten viele Menschen den kontemplativen Weg für die ursprünglichste und reinste Möglichkeit, den Fußspuren Christi nachzufolgen. Aber im Lauf der Lehrstreitigkeiten, die auf die Reformation folgten, wurde dieses Erbe zunächst unterdrückt und später schlicht vergessen. Erst in den 70er-Jahren, als fernöstliche Meditationsmethoden immer beliebter wurden, bewegte dies in den USA einige Trappistenmönche der St. Josephs-Abtei in Spencer, Massachusetts, wieder auf mittelalterliche Klassiker wie Die Wolke des Nichtwissens zurückzugreifen. Was sie daraus neu lernten, gossen sie in die verblüffend einfache Form einer Praxis, die sie als "Centering Prayer" bezeichneten, wörtlich also: "zentrierendes", "in die Mitte sammelndes Gebet". In Deutschland wurde es Leseprobe